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Byssonectria carestiae (Pezizales) – eine arktisch-alpine Art Uwe LINDEMANN Ueli GRAF Elisabeth STÖCKLI Zusammenfassung: Zwei Kollektionen der bisher erst wenige Male gefundenen Art Byssonectria carestiae werden detailliert dokumentiert und mit Nachbararten verglichen. Schlagworte: Ascomycota, Kotlabaea deformis, K. trondii, Morphologie, Pyronemataceae, Taxonomie. Ascomycete.org, 9 (7) : 243-249. Décembre 2017 Mise en ligne le 25/12/2017 Byssonectria carestiae (Pezizales) – an arctic-alpine species Abstract: Two collections of the very rarely found species Byssonectria carestiae are described in detail and compared with the most similar species. Keywords: Ascomycota, Kotlabaea deformis, K. trondii, morphology, Pyronemataceae, taxonomy. Zu Ehren von René Dougoud Einleitung Im August 2016 und Juni 2017 wurden in den Schweizer Alpen zwei Kollektionen von Byssonectria carestiae (Ces.) U. Lindem. & Kristiansen entdeckt. Es handelt sich um ein Taxon, von dem bisher nur wenige Aufsammlungen bekannt sind: zum einen eine Kollektion aus der Piemonteser Alpen von 1857 (es handelt sich um die Typuskollektion, gesammelt von Antonio Carestia und beschrieben von Vincenzo de Cesati in RABENHORST 1858: no. 704), zum anderen zwei Aufsammlungen aus Norwegen aus den Jahren 1975 und 1994 (BENKERT, 2008: 175). Im Folgenden sollen die beiden aktuellen Schweizer Funde ausführlich beschrieben und illustriert werden. Im Gegensatz zu früheren Beschreibungen von B. carestiae, die auf Exsikkatenmaterial beruhen, sollen die morphologischen Merkmale erstmals im Frischzustand dokumentiert werden (zur Methodik vgl. BARAL, 1992). Dadurch wird es möglich, eine deutlich präzisere Abgrenzung zu Byssonectria deformis (P. Karst.) U. Lindem. & M. Vega [Syn. Kotlabaea deformis (P. Karst.) Svrček] vorzunehmen — eine Art, die in morphologischer Hinsicht große Ähnlichkeit mit B. carestiae aufweist. Zudem sollen die Ökologie, soweit sie bekannt ist, und die Verbreitung von B. carestiae dokumentiert werden. Material und Methoden Morphologische Untersuchungen: Die Aufsammlungen wurden in frischem und in rehydriertem Zustand in Leitungswasser oder in KOH 3% untersucht. Die Jodreaktion wurde mit Lugolscher Lösung (IKI) getestet. Um mögliche Sporenornamente lichtmikroskopisch sichtbar zu machen, wurde sowohl beim Frischmaterial als auch bei den rehydrierten Exsikkaten Baumwollblau in Milchsäure zur Anfärbung der Ascosporen benutzt. Die Messungen wurden an lebenden Zellen durchgeführt. Die Kürzel für öffentliche Herbarien entsprechen dem Index Herbariorum, das des privaten Herbariums des Erstautors lautet: U.L. Die Zahl mit dem Kürzel „ALV“ in eckigen Klammern bei den Sequenzen steht für die der Probe von B. carestiae im Labor ALVALAB zugewiesene laufende Nummer. DNA Extraktion, Amplifikation und Sequenzierung Die DNA wurde aus getrockneten Exsikkaten extrahiert mittels einer auf MURRAY & THOMPSON (1980) basierenden, modifizierten Vorgehensweise. Zunächst wurde ein Teil der Probe mit Hilfe eines Micropistills in 600 μl CTAB Pufferlösung suspendiert (CTAB 2 %, NaCl 1,4 M, EDTA pH 8,0 20 mM, Tris-HCl pH 8,0 100 mM). Das resultie- rende Gemisch wurde 15 min. bei 65 ºC inkubiert. Eine vergleichbare Menge an Chloroform: Isoamylalkohol (24:1) wurde zu jeder Probe hinzugefügt und sorgfältig zu einer Emulsion vermengt. Anschließend wurde die Emulsion 10 min. bei 13.000 g zentrifugiert; die DNA wurde im Überstand mit Isopropanol gefällt und bei gleicher Geschwindigkeit erneut 15 min. zentrifugiert. Das Pellet wurde in gekühltem 70%igem Ethanol gewaschen, abermals 2 min. zentrifugiert und getrocknet. Zum Schluss wurde es in 250 μl deionisiertem H2O resuspendiert. Für die PCR-Amplifikation wurden folgende Primer verwendet: für die ITS-Region ITS1F und ITS4 (WHITE et al., 1990; GARDES & BRUNS, 1993), für die 28S nLSU-Region LR0R und LR5 (VILGALYS & HESTER, 1990; CUBETA et al., 1991). Die PCR-Reaktionen wurden auf folgende Weise durchgeführt: zu Beginn mit einem Temperaturprogramm bei 95 °C für 5 min., dann 35 Zyklen bei 94 °C, 54 °C und 72 °C (jeweils 45, 30 und 45 Sekunden) und zuletzt bei 72 °C für 10 min. Die PCR-Produkte wurden in 1 % Agarose-Gel geprüft, und die positiven Reaktionen wurden mit dem Primer ITS4 sequenziert. Die Chromatogramme wurden auf mögliche Lesefehler geprüft und entsprechend korrigiert. Phylogenetische Analyse Mit Hilfe von BLAST (ALTSCHUL et al., 1997) wurden die nahestehendsten Sequenzen aus den öffentlichen INSD-Datenbanken ermittelt. Sie entstammen hauptsächlich den Studien von PERRY et al. (2007), HANSEN et al. (2013) sowie LINDEMANN et al. (2015). Die für diesen Artikel neugewonnene Sequenz sowie die ermittelten Sequenzen aus den Datenbanken wurden mit der Clustal-W-Anwendung der Software MEGA 5.0 aligniert (TAMURA et al., 2011) und anschließend manuell korrigiert. Das finale Alignment beinhaltete 217/891 (28S rDNA) und 265/867 (tef1) variable Positionen („sites“) von 37 Proben. Die alignierten Loci wurden in PAUP * 4.0b10 (SWOFFORD, 2001) geladen und MrModeltest 2.3 (NYLANDER, 2004) angewendet. Das Modell GTR+G+I wurde gewählt und in MrBayes 3.1 (RONQUIST & HUELSENBECK, 2003) implementiert. Es wurde eine Bayesianische Analyse durchgeführt (Daten partioniert, zwei simultane Durchläufe, sechs Markow-Ketten, „temperature“ auf 0.2 gesetzt, Stichprobenentnahme jede 100ste Generation), bis die Konvergenzparameter nach 130 000 Generationen erfüllt waren und die Standardabweichung unter 0,01 sank. Zum Schluss wurde eine volle Suche („full search“) nach dem am besten bewerteten Maximum-Likelihood-Baum mit RAxML (STAMATAKIS, 2006) unter Verwendung des Standardsuchalgorithmus (Daten partitioniert, 2000 Bootstrap-Wiederholungen) durchgeführt. Die Signifikanzschwelle wurde auf größer als 0,95 für die A-posteriori-Wahrscheinlichkeit („posterior probability“ = PP) und auf 70% für die Bootstrapwerte („bootstrap proportions“ = BP) gesetzt. 243 Fig. 1 – LSU-tef1-Konsensusphylogramm nach der einfachen Mehrheitsregel (50%) für die Gattung Byssonectria und verwandte Taxa und Gattungen, ermittelt mit MrBayes auf Basis von 3900 möglichen phylogenetischen Bäumen. Bei statistisch signifikanten Knoten werden der Bayesianische PP-Wert (PP größer als 0.95) und/oder der ML BP-Wert (BP größer als 70%) angegeben. Der fett hervorgehobene Name kennzeichnet die für diese Arbeit neu gewonnene Sequenz. 244 Ascomycete.org Tabelle 1 – Der für diesen Artikel sequenzierte Fund mit GenBank-Zugangsnummer Art Herbar.-Nr [Labor-Nr.] Land, Sammeldatum, Sammler Byssonectria carestiae NMLU 1306-17UG1 [ALV 12319] Schweiz, 2017, U. Graf Ergebnisse Die in BENKERT (2008: 175) und LINDEMANN & ALVARADO (2017: 116) konstatierte Identität von Byssonectria carestiae mit Kotlabaea trondii Benkert & Kristiansen in morphologischer Hinsicht ist genetisch bestätigt worden. Die für diese Studie gewonnene ITS-Sequenz von B. carestiae ist zu 100% identisch mit der des Holotypus von K. trondii (KX592803) (nicht dargestellt). Darüber hinaus ergab sowohl die Bayesianische als auch die Maximum-Likelihood-Analyse (ML) eine signifikante Unterstützung der Gattung Byssonectria (mit dem Nachbar-Clade Cheilymenia). In der Byssonectria-Gruppe gibt es vier Abstammungslinien: B. carestiae, B. deformis, B. fusispora Berk. und B. terrestris Alb. & Schwein., wobei B. fusispora lediglich im Rahmen der ML-Analyse unterstützt wurde. Zudem wurde ein monophyletischer Ursprung von B. fusispora, B. terrestris und B. carestiae ermittelt. Dabei bildet B. deformis den basalen Clade der Gattung Byssonectria. Taxonomie Byssonectria carestiae (Ces.) U. Lindem. & Kristiansen, Z. Mykol., 83 (1): 116 (2017). Basionym: Peziza carestiae Ces., in Rabenhorst, Klotzschii Herb. Viv. Mycol., Editio nova, no. 704 (1858). Synonyme: Neottiella carestiae (Ces.) Sacc., Syll. fung., 8: 192 (1889); Pyronema carestiae Bres., Ann. mycol., 1(2): 119 (1903); Humaria carestiae (Bres.) Boud., Hist. class. discom. Eur.: 67 (1907); Kotlabaea carestiae (Ces.) Benkert, Österr. Z. Pilzk., 17: 175 (2008) [nom. inval., ICN Art. 41.5 (Melbourne)]; Kotlabaea trondii Benkert & Kristiansen, Z. Mykol., 65(1): 36 (1999). Fundbeschreibung (basierend auf beiden Schweizer Funden) Makroskopische Merkmale Apothezien gesellig bis rasig und dicht gedrängt wachsend, zwischen und auf Moosen und Grasresten. Fruchtkörperrand feinst gezähnelt. Durchmesser 1–1,2 mm, Höhe bis max. 1 mm, zunächst kugelig, dann zylinderförmig, reif obkonisch. Hymenium orangegelblich bis orangerot, Farbe an den Flanken und gegen die Basis blasser. An der Fruchtkörperbasis zahlreiche feine Ankerhyphen. Mikroskopische Merkmale Asci 8-sporig, zylindrisch, uniseriat, operculat, (230) 240–275 × 11,5–15 μm, mit Haken, IKI negativ. Ascosporen glatt, hyalin, ellipsoid bis leicht rautenförmig mit mehr oder minder abgestutzten Enden und leicht vorgezogener Mitte, lateral leicht dickwandig bis zu 0,9 μm, an den Polen teilweise bis 2 μm, mit zahlreichen hyalinen Öltröpfchen, (18) 19–21 (24) × (9,5) 10–11 μm; Q = 1,8–2,1. Paraphysen filiform, an der Basis stellenweise gegabelt, mit orangeroten Tröpfchen vor allem gegen die Spitze, apikal leicht bis stark gebogen sowie keulig verdickt (bis 8 μm), das Pigment in den Paraphysen färbt sich in IKI grün. Excipulum einschichtig, bestehend aus hyalinen dünnwandigen Zellen als textura globulosa/angularis, Größe: 30–50 × 50–62 μm, an der Basis mit zahlreichen Ankerhyphen; Apothezienrand ohne Haare. Subhymenium mit gold-gelbem, teilweise zu größeren Tropfen und Flächen zusammenlaufendem Pigment, das sich in IKI ebenfalls grün verfärbt (s. Tafel 2, H-I); beim rehydrierten Exsikkat ist das goldgelbe Pigment kristallisiert, und die Farbe geht ins Rötliche. LSU ITS MF784580 MF784579 Funddaten SCHWEIZ, Kanton Bern, Gemeinde Guttannen, Oberaarstausee, 1. 8. 2016, 46°32’47’’N, 8°16’34’’E, 2300 m ü. NN. leg. Elisabeth Stöckli, det. Uwe Lindemann, auf einer ebenen Fläche etwas oberhalb des Ufers des Oberaarstausees, Boden mit Geröll und niederwüchsigen Pflanzen; Apothezien einzeln und in kleinen Gruppen zwischen Moosen wachsend, lange liegende Schneedecke, aber nicht unmittelbar nach der Schneeschmelze gefunden. (Kein Exsikkat vorhanden, jedoch Mikrofotos und Dokumentation des Fundes durch E. Stöckli). Kanton Graubünden, Gemeinde Arosa, Rot Tritt, 13. 6. 2017, 46°48’34.7’’N, 9°40’25.2’’E, 2010 m ü. NN., leg. Ueli Graf, det. Uwe Lindemann, in hochalpinem Gelände, am Rande eines kleinen Bachs zwischen und auf Moos und Grasresten (Herbarbelege: NMLU 130617UG1 und U.L. 247). Diskussion 2008 rückte Dieter Benkert ein Taxon ins Bewusstsein, das seit dem Erstfund im Juli 1857 in den Piemonteser Alpen nahe Riva Valdobbia in Mitteleuropa offenbar nicht wiedergefunden worden war: Peziza carestiae Ces. Neun Jahre zuvor hatte der deutsche Mykologe gemeinsam mit Roy Kristiansen Kotlabaea trondii beschrieben (BENKERT & KRISTIANSEN, 1999). Bei der morphologischen Untersuchung des Typusbelegs von P. carestiae stellte Benkert dann die Identität mit K. trondii fest. In der Folge synonymisierte er K. trondii mit P. carestiae und kombinierte P. carestiae in Kotlabaea carestiae (Ces.) Benkert um (vgl. BENKERT, 2008: 175ff.). Jüngst wurde die Gattung Kotlabaea Svrček revidiert, diesmal auf Basis phylogenetischer Analysen. Es zeigte sich, dass die Gattung polyphyletisch ist, d. h. aus einer heterogenen Sammlung von Arten besteht, die genetisch unterschiedlichen Gattungen zuzuordnen sind (vgl. LINDEMANN et al., 2014, 2015, 2017). Im Zuge der Revision wurden ebenfalls die Typusbelege von P. carestiae und K. trondii untersucht. Dabei konnte die von Benkert festgestellte Identität beider Taxa bestätigt werden. Zudem ergab die phylogenetische Analyse die nahe Verwandtschaft von P. carestiae/K. trondii mit Byssonectria deformis, B. terrestris und B. fusispora, sodass eine Umkombination der Art in Byssonectria notwendig wurde (vgl. LINDEMANN, 2017: 116). Was die Sporenform angeht, stellt B. carestiae in der Gattung Byssonectria ein morphologisches Verbindungsglied dar zwischen B. deformis auf der einen Seite (mit generell ellipsoiden Ascosporen) und B. terrestris bzw. B. fusispora auf der anderen Seite (mit eindeutig fusoiden Ascosporen). Während bei B. carestiae junge Ascosporen ellipsoid sind und diese Form lange beibehalten, sind reife Ascosporen in der Regel leicht rautenförmig mit mehr oder minder abgestutzten Enden und leicht vorgezogener Mitte, wobei in diesem Stadium noch ellipsoide Ascosporen vorhanden sind. Die Maße, die BENKERT (2008: 176) für B. carestiae angibt, sind geringer als bei den aktuellen Schweizer Funden, die im Frischzustand gemessen wurden. Für die Ascosporen: (17) 18–20 (21) × 8.5–9.5 μm (Benkert) gegenüber (18) 19–21 (24) × (9.5) 10–11 μm bei den Schweizer Funden, für die Asci 185–220 × 10–12 μm (Benkert) gegenüber (230) 240–275 × 11.5–15 μm. Diese Unterschiede ergeben sich nicht zuletzt aus unterschiedlichen Untersuchungsmethoden: Benkert arbeitete hauptsächlich mit rehydrierten Exsikkaten, während für die aktuellen Untersuchungen die Methoden der Vitaltaxonomie eingesetzt wurden (vgl. BARAL, 1992). In morphologischer Hinsicht besitzt B. carestiae große Ähnlichkeit mit B. deformis. Unterscheidbar sind beide Taxa jedoch durch mehrere Merkmale, die in Tabelle 2 zusammengefasst sind. Ascomycete.org 245 Tafel 1 – Byssonectria carestiae. A-C: Apothezien im vitalen Zustand; D: Wuchsweise am Fundort (Coll. NMLU 1306-17UG1); Fotos: Ueli Graf. 246 Ascomycete.org Tafel 2 – Byssonectria carestiae. A: Ascosporen (rehydriert, vital); B: Paraphysen (vital); C: Ascus; D: Ascosporen (vital); E: Ascosporen (vital); F: Paraphysen in Lugol (tot), Pigment mit grüner Reaktion; G: Medulläres Excipulum mit feinen Pigmenttröpfchen; H: Medulläres Excipulum (Basis), zusammengelaufenes goldgelbes Pigment; I: Pigment mit grüner Lugol-Reaktion im medullären Excipulum; J: Ascusbasis mit Haken; die Mikrofotos stammen von der Coll. NMLU 1306-17UG1 mit Ausnahme von E: dieses Foto stammt aus der Dokumentation von E. Stöckli; Fotos: Ueli Graf (B-D, F-H, J); Uwe Lindemann (A + I) ; Elisabeth Stöckli (E). Ascomycete.org 247 Tabelle 2 – Morphologischer Vergleich zwischen Byssonectria carestiae und B. deformis B. carestiae Ascosporen B. deformis ellipsoid bis leicht rautenförmig mit mehr oder minder ellipsoid, Sporenwand gleichmäßig leicht verdickt, mit abgestutzten Enden und leicht vorgezogener Mitte, la- zahlreichen hyalinen Öltröpfchen terale Sporenwand leicht verdickt, an den Polen meist deutlich dickwandig, mit zahlreichen hyalinen Öltröpfchen Größe der Ascosporen (18) 19–21 (24) × (9,5) 10–11 μm (13) 14–17 (18) × 8–10 μm Paraphysen leicht gekrümmt bis stark gebogen, apikal mäßig keulig gerade bis leicht gekrümmt, apikal meist stark keulig ververdickt, mit vielen kräftig orangeroten Pigment-Tröpf- dickt, mit vielen kräftig orangeroten Pigment-Tröpfchen chen Asci (230) 240–275 × 11,5–15 μm 200–230 × 12–14 μm Ökologie zwischen und auf Moosen und Pflanzenresten i.d.R. auf nackter Erde Ein zweites, B. carestiae nahestehendes Taxon ist Kotlabaea macrospora Benkert. Diese Art hat Ascosporen mit einer Größe von (19) 20–25 (27) × 10–12 μm. Im Übrigen aber stimmen der makroskopische Habitus sowie die Wuchsweise (auf Pflanzenresten) auffallend mit B. carestiae überein. K. macrospora kommt ebenfalls im Gebirge vor; der Fundort des Holotypus liegt auf 1800 m im Witoschagebirge in Bulgarien. (Der Typus von K. macrospora konnte leider nicht nachuntersucht oder sequenziert werden, da eine Ausleihe aus B nicht möglich war.) In BENKERT & KRISTIANSEN (1993: 38) wird noch ein weiterer Fund von K. macrospora erwähnt. Dieser stammt aus der Schweiz und wurde von G. Frossard am 3. 6. 1994 im Kanton Wallis, Saflischtal, 2000 m ü. NN, an einer Wegböschung mit kleinem Erdrutsch gemacht. Als Sporengröße geben Benkert & Kristiansen 19–23 × (9.5) 10–11.5 (12) μm an. Die Sporenmaße sind weitgehend identisch mit denen von B. carestiae, sodass es nicht unwahrscheinlich ist, dass es sich bei dieser Aufsammlung ebenfalls um einen Fund von B. carestiae handeln könnte. (Leider war auch in diesem Fall keine Ausleihe des Belegs aus B möglich.) Da B. carestiae und B. deformis in morphologischer Hinsicht große Ähnlichkeit aufweisen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass manche unter B. deformis abgelegte Funde, die aus alpinen oder arktischen Regionen stammen, fehlbestimmt sind. Hier wäre eine erneute Untersuchung der Herbarbelege erforderlich. Tafel 3 – Verbreitungskarte: alpine Kollektionen links (inklusive des Fundes von G. Frossard); norwegische Kollektionen rechts (Funddaten der Norwegen-Kollektionen aus BENKERT, 2008: 177). 248 Ascomycete.org Ökologie und Phänologie Nimmt man die ökologischen Daten der bisherigen Funde von B. carestiae zusammen, so bestätigt sich die in BENKERT (2008: 177) beschriebene Ökologie. Bei B. carestiae handelt es sich um eine Art mit arktisch-alpiner Verbreitung, die offenbar Regionen mit langer Schneebedeckung bevorzugt. Der höchste bisher bekannte Fundort liegt bei 2300 m (Coll. Stöckli), der nördlichste Fund liegt deutlich nördlich des Polarkreises in der Finnmark (Norwegen) (s. Verbreitungskarte). Zudem sind alle Fundorte ausgesprochen feucht, d. h. die Art wächst stets in der Nähe von Bächen oder an moorigen Standorten auf und zwischen Moosen und Pflanzenresten. Alle bisherigen Funde stammen aus den Monaten Juni bis August, was mit den klimatischen Bedingungen an den Fundorten eng zusammenhängt. Dank Wir möchten folgenden Personen herzlich danken: Gérard Frossard und Beatrice Senn-Irlet für ihre Unterstützung bei unseren Recherchen, Pablo Alvarado für die Sequenzierung, die Erstellung des phylogenetischen Baumes und die phylogenetische Analyse, Ascomycete.org in Person von Nicolas Van Vooren für die finanzielle Unterstützung sowie Klaus Siepe für die abschließende Revision des Artikels. Literatur ALTSCHUL S.F., GISH W., MILLER W., MYERS E.W. & LIPMAN D.J. 1990. — Basic local alignment search tool. Journal of Molecular Biology, 215: 403410. 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