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Bauarbeiter wollen vom Boom profitieren

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Überall wird gebaut, wie hier in Altenerding. Aber die Bauarbeiter hätten nichts von dem Bauboom, kritisiert Polier Wolfgang Gantner (51) aus Pastetten. Deshalb fährt er am Montag mit 17 Kollegen nach Berlin, um dagegen ein Zeichen zu setzen.
Überall wird gebaut, wie hier in Altenerding. Aber die Bauarbeiter hätten nichts von dem Bauboom, kritisiert Polier Wolfgang Gantner (51) aus Pastetten. Deshalb fährt er am Montag mit 17 Kollegen nach Berlin, um dagegen ein Zeichen zu setzen. © Privat

Den Bauarbeitern reicht’s. Seit Jahren boomt die Baubranche, aber mehr Lohn für die Mitarbeiter gibt es nicht. Ein Pastettener Polier packt aus und fährt zum Protestieren nach Berlin.

Erding – Polier Wolfgang Gantner (51) aus Pastetten ist es leid: „Der Bau boomt in München und drumherum, davon sollen jetzt auch endlich die Mitarbeiter etwas haben.“ Er arbeitet als Polier, dem Bindeglied zwischen Baustelle und Bauleitung, und ist Betriebsratsvorsitzender bei einer Rohrleitungsbaufirma in München. „Ein Rohrleitungsbauer ohne zusätzliche Qualifikation verdient zwischen 1500 und 2000 Euro“, sagt er: „Wenn man da eine Familie hat und 1000 Euro Miete bezahlen muss, dann ist das existenzbelastend.“ Das will Gantner nicht mehr hinnehmen. Am kommenden Montag fährt er mit 17 Baukollegen aus dem Landkreis Erding und aus München zum Protestieren nach Berlin.

Denn die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert sechs Prozent mehr Lohn für die Azubis und Gesellen im Baugewerbe, zum Beispiel für Rohrleitungsbauer, Maler, Fliesenleger oder Zimmerer. „Aber die Tarifverhandlungen sind gescheitert“, sagt Gantner: „Der Industrieverband will nur 1,6 Prozent mehr Lohn zahlen.“ Deshalb laufen derzeit die Schlichtungsverhandlungen in Berlin. Gantner und seine Kollegen wollen dort ein Zeichen setzen.

Er ärgert sich: „Überall wird gebaut, weil es so einen Wohnungsdruck gibt, aber uns bleibt nicht mehr.“ Und er kritisiert: „Als Bauarbeiter sind wir die ganze Zeit draußen, das ist ein hartes Geschäft.“

Da ist der selbstständige Zimmerer Georg Lippacher (52) aus Ottenhofen auf seiner Seite. Der Obermeister der Erdinger Zimmererinnung sagt: „Als Zimmerergeselle kann man im Landkreis keine Familie mehr ernähren.“ Denn brutto verdient ein Zimmerer rund 2600 Euro. „Wer Kinder hat, muss schauen, dass seine Frau schnellstmöglich wieder dazu verdient.“

Debatte um Azubi-Lohn

Lippacher fordert deshalb einen Handwerkerbonus oder Steuervergünstigungen – vom Staat und nicht vom Arbeitgeber. Gleichzeitig ist er gegen die Forderung der Gewerkschaft, den Azubis im Baugewerbe mehr zu zahlen. Fakt ist aber: Immer weniger Jugendliche wollen heutzutage Maurer, Fliesenleger oder Zimmerer werden. Im Landkreis seien 60 Azubistellen im Baugewerbe unbesetzt, so die Industriegewerkschaft.

Für Zimmerer Lippacher liegt der Azubimangel aber nicht am Lohn, denn im zweiten Ausbildungsjahr verdiene ein Zimmerer-Azubi 1135 Euro brutto, im dritten Azubijahr 1410 brutto: „Ich denke, das ist nicht zu wenig, wenn ich das mit anderen Ausbildungsbranchen vergleiche.“ Es gebe da ein ganz anderes Problem, warum die jungen Leute nicht mehr Zimmerer werden wollen: „Alle wollen studieren, beziehungsweise die Eltern wollen das – obwohl die Kinder nur Dreier oder Vierer im Zeugnis haben“, sagt er.

Und Lippacher macht auch die Lehrer dafür verantwortlich, dass es weniger Azubis im Handwerk gibt: „Die Grundschullehrerin meiner Tochter hat in der vierten Klasse zu ihr gesagt: ,Wenn du nicht auf die Realschule gehst, dann kannst gleich Hilfsarbeiter werden.‘ Wir gelten da als Abschaum.“

Die Industriegewerkschaft hingegen kritisiert, dass der Grund für den Azubimangel „die Betonkopf-Geiz-Mentalität der Bauarbeitgeber“ sei. Doch das Lohnplus für die Azubis wurde abgelehnt.

Polier Gantner sieht die Arbeitgeber in der Pflicht. Am Montag hat er Urlaub genommen, um nach Berlin zu fahren. „Die sechs Prozent Lohnerhöhung werden wir nicht erreichen, aber vielleicht irgendwas dazwischen“. Und er kündigt eine Ausweitung des Arbeitskampfes an: „Wenn die Schlichtungsverhandlungen scheitern, dann streiken wir.“

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