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Indische Rasse

Die Geschichte der legendären Marwari-Pferde

Marwari-Pferde mit grauem Fell gelten in Indien als die beliebtesten Tiere und erzielen die höchsten Preise. Gänzlich weiße Pferde entsprechen dagegen nicht dem Rassestandard. Rappen (schwarze Pferde) werden dagegen als Boten für Unglück gesehen
Marwari-Pferde mit grauem Fell gelten in Indien als die beliebtesten Tiere und erzielen die höchsten Preise. Gänzlich weiße Pferde entsprechen dagegen nicht dem Rassestandard. Rappen (schwarze Pferde) werden dagegen als Boten für Unglück gesehen Foto: Getty Images
Ninja Sinke Autorin

13.10.2023, 12:26 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Ihre gebogenen Ohren sind unverwechselbar – die indischen Marwari-Pferde haben eine jahrhundertelange Geschichte. Einst als legendäre Kriegsrösser verehrt, gelten sie heute als seltene Rasse. PETBOOK erzählt ihre Geschichte und sprach dazu mit der einzigen Marwari-Züchterin Deutschlands.

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Beim Marwari-Pferd reicht ein Blick aus, um ihre Besonderheit zu erkennen: die sichelförmigen Ohren. Diese sind so gebogen, dass ihre Spitzen sich berühren können. Die Pferderasse, entstanden vor Hunderten von Jahren in Indien, ist nicht nur von Legenden umwoben, sondern drohte, vor nicht allzu langer Zeit, auszusterben. Obwohl Pferdeliebhaber die Marwari-Pferde heutzutage auch außerhalb von Indien züchten, gelten sie noch immer als seltene Rasse. PETBOOK stellt die besonderen Pferde vor und befragte dazu auch die erste Marwari-Züchterin Deutschalnds, Swantje Schabehorn.

Tapfere und verlässliche Kriegsrösser

Ursprung der mittelgroßen Pferderasse ist die trockene Region Marwar im heutigen Rajasthan, ein Bundesstaat im Nordwesten Indiens. Erstmalig gezüchtet wurden Marwari-Pferde im 12. Jahrhundert, um sie als Kavalleriepferde einzusetzen. Sie waren bekannt und beliebt dafür, robust, tapfer und verlässlich zu sein. Ihr außerordentlicher Orientierungssinn soll es ihnen ermöglicht haben, eigenständig verwundete Soldaten vom Schlachtfeld zurückzubringen – ein weiteres geschätztes Merkmal der Tiere. Zudem zeichnet sich Pferderasse durch ihr hervorragendes Gehör aus, eine weitere nützliche Eigenschaft im Kampf.

Auch interessant: Tierschützer über Pferdehaltung in Deutschland: »Es gibt großen Nachholbedarf

Marwaris sind eigentlich Wüstenpferde

Auch heute noch weist diese Pferderasse deutliche Einflüsse der trockenen Gegend auf, in der sie ihren Ursprung hat. Die Wüstenpferde haben weniger schräge Schultern als andere Rassen. So können sie ihre Beine leicht aus tieferem Wüstensand ziehen. Auch Temperaturextreme machen ihnen wenig aus und ihre Hufe gelten als sehr widerstandsfähig.

Besonders gut eignen sich Marwari-Pferde für Distanzritte. Auch einer der Deckhengste von Swantje Schabehorn läuft aktuell im Distanzsport, berichtet die Marwari-Züchterin aus Rheinland-Pfalz PETBOOK. „Auf den Distanzsport fokussieren wir uns auch am meisten. Aber in Zukunft sollen die Marwaris auch in anderen Sparten ihre Eignung beweisen“, ergänzt sie.

Zudem gehören Marwaris zu den Gangpferden. Neben Schritt, Trab und Galopp beherrschen sie noch eine weitere Gangart, genannt Revaal oder Rehwal. Diese ist schnell und viertaktig und sorgt für einen angenehmen Ritt. So können die Pferde große Entfernungen leichtfüßig und schnell zurückzulegen.

Pferderasse einst vom Aussterben bedroht

Im frühen 20. Jahrhundert kam es in Indien sowohl zu politischen als auch zu wirtschaftlichen Turbulenzen. Deswegen nahm die Zahl der Marwari-Pferde massiv ab – und die Rasse starb beinahe aus. Dazu beigetragen habe auch, dass die Briten – zu dieser Zeit vorherrschende Kolonialmacht in Indien – Vollblüter und Poloponys bevorzugten. Sie brachten zudem viele Pferde aus Australien nach Indien.

Auf die Unabhängigkeit Indiens folgte die moderne Gesellschaft. Diese habe jedoch die ehemals vorhandene Kriegskultur und den indischen Adel zunehmend verdrängt – und damit auch die verlässlichen Marwari-Pferde. In den 1950er-Jahren gab es die Rasse praktisch nicht mehr. Einige wenige Blutlinien blieben lediglich durch die Bemühungen des Maharadschas Umaid Singhji und seines Enkels Maharadscha Gaj Singh II erhalten.

Knapp 45 Jahre später, im Jahr 1995, erlebte die Zahl der Pferde mit den gebogenen Ohren einen weiteren Aufschwung. Die britische Reiterin Francesca Kelly gründete die „Marwari Bloodlines Group“, um die Rasse nicht nur zu erhalten, sondern auch zu fördern. Später folgte der erste Rassestandard, nachdem Kelly, Raghuvendra Singh Dundlod und weitere Pferdeliebhaber die sogenannte „Indigenous Horse Society“ gründeten.

Ein Pferdehändler mit einem Marwari-Pferd im indischen Rajasthan
Ein Pferdehändler mit einem Marwari-Pferd im indischen Rajasthan Foto: Getty Images

Genetische Untersuchung ordnet Ursprung der Pferderasse ein

Zur Entstehungsgeschichte der Marwari-Pferde bestehen verschiedene Legenden. Die Kartierung des gesamten Genoms der Rasse im Jahr 2014 war nicht nur die erste einer asiatischen Pferderasse. Diese Untersuchung lieferte zudem eindeutige Nachweise für die Herkunft des Erbguts der Tiere. Zum Vorschein kam das Erbgut arabischer und mongolischer Pferde.

Geschichten darüber, dass einheimische Ponys möglicherweise mit arabischen Pferden, die man in die Region brachte, gekreuzt wurden, bestätigten sich mit dieser Genanalyse. Selbst eine Legende, dass überlebende Araberpferde eines gesunkenen Schiffs eingekreuzt worden seien, könnte so möglicherweise wahr sein.

Die einzigen Marwari-Pferde in Deutschland

Aktuell ist die Zahl der Marwaris in Indien wieder einigermaßen stabil, ordnet Swantje Schabehorn aus Rheinland-Pfalz für PETBOOK ein. Die Pferdezüchterin hält seit 2019 die einzigen Marwari-Pferde Deutschlands. Außerhalb Indiens ist es schwierig, an diese besondere Pferderasse zu kommen. Das liegt auch daran, dass Indien seit dem Jahr 2000 ein Ausfuhrverbot auf die Tiere erlegt hat. Vereinzelte Ausnahmen ermöglichten nur wenigen Pferdeliebhabern, die Tiere zu erwerben.

Aus zwei Pferden sind unter der Obhut von Schabehorn mittlerweile acht Tiere geworden. In diesem Jahr kamen zwei gescheckte Stutfohlen dazu. Die Marwari-Züchterin erklärt außerdem: „Leider stecken Zuchtbücher, Zuchtselektion etc. noch in den Kinderschuhen. Daher ist die Rasse noch nicht so ‚stabil‘ und gemanagt, wie wir es von anderen Rassen kennen.“

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Was Marwari-Pferde so besonders macht

Das auffälligste Merkmal der Marwari-Pferde sind wohl ihre Ohren. Sie sind gebogen und das zum Teil sogar so stark, dass sich die Spitzen berühren. Außerdem können sie ihre Ohren um 180 Grad drehen. Die Bedeutung hinter der Form der Ohren sei in Indien oft spiritueller oder religiöser Natur, erklärt Züchterin Swantje Schabehorn auf Anfrage von PETBOOK. „Fakt ist, dass die Ohren der Marwaris beweglicher sind als die anderer Pferderassen. Es wird vermutet, dass sie sich so besser vor Wüstensand schützen und Geräusche besser orten können“, so die Züchterin.

Für die Pferdeliebhaberin und Reiterin machen jedoch nicht nur die gebogenen Ohren diese Pferderasse zu etwas ganz Besonderem. „Marwaris sind sehr eigenständig“, so Schabehorn gegenüber PETBOOK. „Aber wenn sie „ihren“ Menschen gefunden haben, sind sie unfassbar loyal und man kann sich in jeder Situation auf sie verlassen.“

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Quellen

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